150816-Mini-Ausfahrt-018
bigagsl

bigagsl

Der pseudo Jet

Ich war Held der Rückbank. Damals, 1976, denn ich thronte auf den Karositzen eines Golf GTIs. Er war rot und er gehörte meiner Mutter. Eigentlich. Hauptsächlich schnappte ihn sich jedoch mein Vater und ließ meiner Mutter die ungeliebte Familienlimousine zurück. Damals las mein Vater auch Gute Fahrt. Eigentlich. Denn hauptsächlich schnappte ich mir die Zeitschrift und verschlang die Informationen rund um die Marken Volkswagen und Audi. Dort sah ich dann irgendwann im Jahre 1979 auf der letzten Seite eine Vorschau: „Neuer sportlicher Volkswagen mit großem Kofferraum und einem Namen der an einen Jet erinnert.“ Ich war gespannt, wie Flitzebogen.Ein Volkswagen sportlicher, als unser GTI? Mit einem Jet Namen? Als die nächste Ausgabe im Briefkasten lag, war meine Enttäuschung groß. Der VW Jetta wurde präsentiert. Was ein hässlicher Golf mit Rucksack. Bis heute habe ich mir dieses Auto nicht schönsehen können. Auch nicht als sportlicher viertüriger GLI. Und heute, 30 Jahre später, ist genau dieser Jetta bigbloggs zweiter Straßenköter.

Gepflegt, dreitürig und hier sogar turbogedieselt: Volkswagen Jetta I

VW Jetta I

Er mußte es einfach werden. Aber nicht als verspätete Rache an dem Volkswagen Haus- und Hofblatt für das Schüren falscher Hoffnungen. Nein, dieser Straßenköter fiel einfach auf, wie ein bunter Hund, obwohl er schlicht weiß ist, denn er Stand auf heiligem Boden: Dem Innenhof des ehemaligen Daimler AG Vorstandssitzes in Stuttgart Möhringen. Das ist auch heute noch das Epizentrum einer Scheinwelt, in der der Straßenverkehr von Fahrzeugen mit dem Stern dominiert wird. Fremdfabrikate fallen dort sofort unangenehm auf. Vor allen Dingen, wenn sie weder neu, noch luxuriös sind.

Gebaut von 1979 bis 1984: Volkswagen Jetta I

VW Jetta I

Aber was heißt hier nicht luxuriös? Dieser Jetta hat alles, was damals gut und teuer war. Schiebedach, getönte Scheiben, Anhängerkupplung, Scheinwerferreinigungsanlage, innenverstellbare Außenspiegel, die – genauso wie die serienmäßigen Radlaufverbreiterungen und die Stoßstangen – in Wagenfarbe lackiert sind. Doch damit nicht genug. Gerade das zeitgenössische Tuning macht diesen Zweitürer zum absoluten Straßenköter. Riesige Nebelscheinwerfer verdecken den damals in meinen Augen schönsten Zubehörfrontspoiler für Golf und Jetta vom Felgenspezialisten BBS. Dazu die Motorhaubenhutze und der Heckspoiler von Kamei, sowie der transluzente beige graue Windabweiser am Schiebedach. Absolut stilecht sind auch die schwarzen A-Säulen Abdeckungen, die aus dem damals propagierten „Formel E“ Paket stammen. Dem damaligen Versuch der Marke Volkswagen eine Verbrauchsoptimierung durch aerodynamischen Feinschliff zu erreichen. Doch im Innenraum geht es genauso zeitgenössisch weiter: Schwarzbeige Recaro Sportledersitze mit dem typischen Wabennetz in der Kopfstütze. Damals der letzte Schrei, genauso, wie die an der Heckscheibe montierte Jalousie und die in einer selbst zugesägten Mittelkonsole verbauten Zusatzinstrumente.

Zeitgenössisches Zubehör im Detail: Volkswagen Jetta I

VW Jetta I

Doch leider ist der Besitzer dieses Jettas an manchen Punkten nicht ganz stilsicher: Die Zubehör Aluminiumfelgen sind definitiv aus dem falschen Jahrzehnt. Den Schmutzfängern an den Radläufen kann sicherlich auch nur Kopfhoerer etwas abgewinnen (er hat solche Teile auch an seinem MINI verbaut) und auch die Rammschutzleiste oberhalb der Seitenschweller passt nicht. Da gehören die Golf GTI Seitenstreifen hin, die beim Jetta durch alle Modellvarianten hindurch Sportlichkeit suggerieren sollten. Auch die viereckige Auspuffblende, dir orangenen Reflektoren, das falsche VW Emblem im Kühlergrill, ein fürchterliches Holzlenkrad und der Motorhaubensteinschlagschutz wollen nicht so richtig ins Gesamtbild passen, können dank folgender Details jedoch verziehen werden: Schroth Hosenträgergurte, Chromring am Tankverschluß und Kaiser Wilhelm Abdeckung für die Anhängerkupplung. Dieser Besitzer beweist damit einfach eine sympathische Charakterstärke oder würde es sich der werte Leser trauen in einem solchen Jetta von April bis Oktober über die Straßen zu rollen?

Spaß an Straßenkötern gefunden? Hier die bisher erschienenen Funde:
Ford Granada
– Fiat 131 Mirafiori
Peugeot 604
Volvo 262 Coupé
BMW 525
Citroen DS21
Und natürlich die Galerie mit allen Straßenkötern

Diesen post teilen

Ähnliche posts

Fiats 500er drückt!

Scheinbar laufen nicht wenige potentielle MINI Kunden zu den Freunden aus Turin über und kaufen statt eines MINI Einstiegsmodells einen 500er. Der ONE ist leistungsmäßig

weiter lesen »