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Der leidige Zusammenhang zwischen Hubraum und Kofferraum

BMW 1 Series M CoupeOder: Warum Physik Physik bleibt.

Manchmal spüre ich die dunkle Seite der Macht in mir sehr deutlich. Die schreit nach Heckantrieb, mindestens 300PS und dem gepflegten Drift. Ich gebe es zu: Hin und wieder erliege ich dieser Anziehungskraft auch und verlasse verschämt den Dunstkreis des MINI Frontantriebs. Das Beruhigende ist: Ich bin nicht allein! Oliver Kanaan hat einen ähnlichen Ruf der dunklen Seite vernommen und dafür sogar seinen geliebten MINI verkauft, über den wir sogar hier berichtet haben. Jetzt, ein halbes Jahr nach seinem Umstieg von FWD auf RWD, hat mir Oliver seine Erkenntnisse zukommen lassen, die ich Euch nicht vorenthalten möchte. Doch lest selbst und schreibt uns, wie ihr das seht. Wir freuen uns drauf.

 Oliver lenkt und denkt in einem BMW 1M. Hier seine Erkenntnis:

Ich kann mich glücklich schätzen. Mich bewegen täglich 340 PS und bis zu 450NM durch den automobilen Alltag. Gebaut im BMW Werk Leipzig, veredelt in Garching bei München von der M GmbH. Offizieller Name meines Daily Drivers: BMW 1er M Coupé und bevor der wütende Mob jetzt die Mistgabel und Fackel aus dem Keller holt, um auf mich loszustürmen mit dem Vorwurf der fehlenden artgerechten Bewegung: Bitte erst zu Ende lesen.

Top Gear beweist: Auch ein S63 AMG kann artgerecht bewegt werden

S63 AMG

Mindestens zweimal pro Woche begegnet mir auf meinem Arbeitsweg ein Phänomen der Neuzeit: Eine schwarze S Klasse mit dem verheißungsvollen Akronym „S63 AMG“ auf der Heckklappe zieht tief gurgelnd an mir vorbei. Hätte ich diese Alltagssituation als Achtzehnjähriger mit einem noch frisch gedrucktem Führerschein erlebt, ich hätte ein ellenlange Lobeshymnen auf Pferdestärken, Prestige und brüllende V8s geschrieben. Doch die Zeiten ändern sich. Inzwischen kann ich nur noch mit dem Kopf schütteln. Das liegt nicht einmal daran, dass der Besitzer dieses feinen Sternenkreuzers im Großteil der Fälle hinten rechts mit eingeschalteter Leselampe im Wirtschaftsteil der Tageszeitung versunken die Außenwelt kaum wahrnimmt. Nein, mein Kopfschütteln gilt der Fahrzeuggattung als solche, in der sich der distinguierte Herr chauffieren lässt. Egal, ob S63, E63, M5, M6, S8, RS7 oder auch XJ Supersport, es stellt sich die durchaus legitime Frage: Haben diese Luxus Sportlimousinen heutzutage noch eine Daseinsberechtigung?

Um diese Frage besser beantworten zu können, starten wir eine kleine Zeitreise: Wir schreiben das Jahr 1998. Schnelle Autos gab es wenige auf den Straßen. Und wenn dann sind es häufig ein Audi S4 oder der BMW M3. Beides klare Fahrzeugkonzepte: Wenig Gewicht, direkte Lenkung, kleine Karosserie (gut, wirklich „klein“ ist nur der Peel P50, also einigen wir uns auf „überschaubare Mittelklasse“). Ein einfaches Rezept bei dem man wenig falsch machen kann. Wer dieses Fahrvergnügen der vergangenen Tage heutzutage sucht, wird bei Ebay schon für rund 10.000 € fündig. Doch will man das? Ohne Navi? Ohne Bluetooth? Ohne die bequeme Sitzheizung im Winter? Ohne Assistenzsysteme? Nein. Natürlich nicht.

Nein, mit „klein“ ist nicht der Peel P50 mit Jeremy Clarkson am Steuer gemeint

Peel P50

Zurück in der Gegenwart: Wer Leistung, Kofferraumvolumen und Luxus will, der wird schnell fündig. Der Mercedes-Benz CLS 63 AMG Shooting Brake ist da ein hervorragendes Beispiel. Doch wenn man die Pressemitteilungen der Hersteller zu solchen automobiler Kraftprotze überfliegt, wird eine Information häufig nur sehr kleinlaut preisgegeben: Das Gewicht. Physik bleibt nämlich Physik. Zwei Tonnen Fahrzeuggewicht am Kurveneingang sind es auch am Kurvenausgang.. Da helfen auch PS Zahlen jenseits der 550 und NM Zahlen jenseits der 750 wenig. Dabei geht es soviel besser!

Die letzten Jahre haben uns ein wahres Feuerwerk an potenten Fahrzeugen beschert. Hier tummeln sich die modernen Interpretationen eines E36 M3s. Jeder Hersteller schmeißt munter etwas in den Topf. Sei es ein Audi S3, ein BMW M135i oder sogar ein 1er M Coupé, ein CLA 45 AMG oder etwas mit einem R aus Wolfsburg . Im Prinzip alles das Gleiche. Vor allem aber: Alle nahezu perfekt. Offensichtlich haben sich die Ingenieure ihrer alten Tugenden besonnen und ein altes Rezept wieder ausgepackt: Viel Leistung, wenig Gewicht. Da wir seit iPhone und Start-Stop Technologie riesige Schritte gemacht haben, muss man eigentlich auf nichts mehr verzichten. Doppelkupplungsgetriebe, Bluetooth, Sitzheizung, Navigation in Kooperation mit Google oder ein Conciergeservice, der vor 10 Jahren noch der S Klasse Kunden vorbehalten war. Das ist heute alles Standard.

Trinkt weniger, als man denkt und ist wunderbar alltagstauglich: BMW M135i

M135i

Am Verblüffendsten: Diese Autos bieten nicht nur ungeahnte Leistung, sondern auch eine Alltagstauglichkei, die man vor 20 Jahren kaum für möglich gehalten hat. Vier Sitzplätze, genügend Kofferraumvolumen für zwei große Koffer und einen wunderbaren Reisekomfort. Meinen Bayern kann ich im Düsseldorfer Stadtverkehr wie einen 118d bewegen (spätestens bei diesem Satz dürfte der wütende Mob meine Adresse googlen). Ruhig. Entspannt. Cruising eben. Doch wenn ich will – und das will ich eigentlich immer nach der Arbeit – auf einem schönen Stück Landstraße den Cruiser mit etwas mehr Pedaldruck und späterem Schalten in eine Porsche fressende Waffe verwandeln. Jedes Beschleunigen drückt mich in den Sitz. Noch besser: Jedes Beschleunigen bringt mich unbemerkt zum Grinsen.

Warum also Unsummen von Geld für abstruse PS Monster ausgeben, wenn es auch billiger und vor allen Dingen besser geht? Wer jetzt einwirft „Aber mit den Basis 5er, A7 oder S-Klasse Schaukeln kann man aber auch nicht an den Ring fahren“ nur so viel: Man stelle sich bei Touristenfahrten auf dem Nürburgring und zähle die Menge der großen AMG, M und RS Powerlimousinen, die die Schranke passieren. Die Anzahl ist so verschwindend gering, wie die Chance, einen Koenigsegg vor einem Tante Emma Laden parken zu sehen.

Vielleicht sollten die etablierten Hersteller endlich aufhören, jede noch so kleine Nische von Marketingspezialisten suchen zu lassen, um dann mit den letzten freien Buchstaben des Alphabets in Kombination mit wilden Ziffernfolgen die Hecks dieser Kreationen zuzupflastern. In Zeiten in denen ein aktueller BMW 3er so groß ist wie ein alter 5er gilt es nämlich eine neue Marschrichtung zu finden, die auch den Claim „Freude am Fahren“ wieder im reinsten Sinne verkörpert: Viel Leistung, gute Ausstattung, wenig Gewicht. Punkt. Mehr ist es nicht.

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